Im Museum die Welt verändern
- Felicia Graubner
- 5. Sept. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Nov. 2023
Aktuell mache ich ein Praktikum im Naturkundemuseum Stuttgart. Das Wort Museum klingt für viele Menschen erst einmal retro und langweilig. Aber Naturkundemuseen sind besonders in Zeiten von Klima-, Ernährungskrise und Pandemie wichtige Akteure in unserer Gesellschaft!

Wissenschaftliche Museen genießen bei uns ein gewisses Ansehen. Was dort auf den Infotafeln steht und in den Vitrinen zu sehen ist, wird selten in Frage gestellt. Wir haben
vertrauen darauf, dass diese Informationen stimmen, und dadurch hat ein Museum auch eine große Verantwortung. Nicht nur im Bezug darauf, dass die Informationen stimmen, sondern eben auch auf die Ausrichtung und Gestaltung der Veranstaltungen.
Das beginnt schon bei der Themenwahl: Wenn eine eigene Ausstellung nur zum Thema Klimakrise oder Artensterben stattfindet, dann ist das durchaus ein starkes Zeichen. Und zwar nicht nur für die Besucher:innen, sondern auch für die Menschen, die nur flüchtig die Plakate lesen. Außerdem findet es direkt den Weg in die Politik, da öffentliche Museen von staatlichen Institutionen finanziert werden. Die zuständige Behörde bekommt also auch mit, was in der Wissenschaft grade ein heißes Thema ist. Museen haben also durchaus einen Einfluss auf aktuelle Diskussionen. Und dieser hört nicht bei der Auswahl der Themen auf, sondern selbst die konkrete Umsetzung der Ausstellung bis zu einzelnen Sätzen in den Beschreibungstexten besitzt Macht. Werden in der Afrika-Ausstellung Stereotype manifestiert? Was begegnet einem gleich am Anfang einer Ausstellung und was befindet sich ganz hinten in einem kleinen Nebenraum? Werden bestimmte Begriffe verwendet, oder eben nicht? Wird gegendert?
All das sind Fragen, die sich Museums-Kurator:innen stellen und die bei der richtigen Entscheidung eine bedeutende Wirkung auf die Gesellschaft haben können.
Natürlich hat auch die Wissensvermittlung an sich eine große Bedeutung. Naturkundemuseen sind die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Laien. Komplexe Themen werden für die Besucher:innen greifbar und weniger abstrakt dargestellt. Und wie wichtig das Verstehen von aktuellen Krisen in der Politik ist, sehen wir immer wieder in Wahlergebnissen, die einen Zusammenhang zwischen bildungsfernen Schichten und dem Hang zu populistischen Antworten zeigen. Auch bei Bürger:innenräten wird die Beobachtung gemacht, dass bei genug Information deutlich verantwortungsvollere Entscheidungen getroffen werden, als es im gesellschaftlichen Durchschnitt der Fall ist.
Was in Ausstellungen auch vermittelt wird, ist eine emotionale Bindung zur Natur. Im Museum sind wir fasziniert von den lebensgroßen Nachbildungen einzelner Biotope. Die interessanten Fakten erstaunen und begeistern uns für diesen genialen Planeten. Das kann dazu führen, dass Menschen motivierter sind, etwas für die Erhaltung der Welt, wie wir sie kennen, zu tun. Es wird uns bildlich vor Augen gehalten, was gerade im Begriff ist, unwiderruflich zu verschwinden - und auch, was wir schon verloren haben.
Hinzu kommt, dass die staatlichen Museen nicht profitorientiert sind und der Eintritt deswegen sehr billig. So werden sie zu einem wichtigen Teil der Freizeitgestaltung für einkommensschwächere Familien. Die Kinder können dort den ganzen Tag verbringen und staunen. Durch die niedrigen Preise und die meist gute Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln beziehen deren Eltern häufig nur ein geringes Einkommen und es fehlen die Ressourcen zu tiefgründiger Recherche bezüglich aktuellen Krisen. Dies wirkt sich dann auf die Erziehungsschwerpunkte aus. Hier können wissenschaftliche Museen ansetzen und niederschwellige Berührungspunkte zu gesellschaftlichen Problemen bieten. Ausstellungen sind also eine gute Möglichkeit, gerade benachteiligte Familien für wichtige Themen zu sensibilisieren.

Und noch für eine ganz andere Personengruppe ist das Naturkundemuseum wichtig: Für die nachkommenden Generationen. Das Artensterben ist Realität und damit gehen potenzielle genetische Schätze verloren. Durch ihre riesigen Sammlungen sorgen Museen für den Erhalt der biologischen Ressourcen von mehreren Milliarden Jahren. Darin verstecken sich große Mengen an Informationen, die wissenswert für Gegenwart und Zukunft sind.
Ihr seht also, dass Naturkundemuseen definitiv mehr sind, als alte Häuser mit verstaubten Tieren. Stattdessen sind sie Teil der Lösung momentaner und zukünftiger Probleme der Menschheit. Ich hoffe, ich habe euch Lust gemacht, mal wieder in einem vorbeizuschauen. Es lohnt sich!
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