Dear G7 leaders... - Teil 2
- Felicia Graubner
- 28. Juni 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Nov. 2022

Wir sind auf dem Weg zum Pressezentrum. Es wurde anlässlich des G7-Gipfels aufgebaut und besteht aus einigen Riesen-Zelten – eingezäunt und schwer bewacht von Polizei und Militär. Wir haben vor dem Zentrum eine Versammlung angemeldet und sind alle in Lederhosen-Vollmontur. Notiz für mich selbst: Ich ziehe Lederhosen schon deswegen nie wieder an, weil man darin unglaublich schnell schwitzt! Unser Motto für die Aktion lautet: „Weizen ist alle!“ Symbolisch halten wir ein leeres Bierglas hoch. Besonders beliebt bei den Journalist:innen, die fleißig knipsen, sind unsre Masken. Nein, ich meine keine Corona-Masken, sondern Fotos von den 7 Regierungschefs aus Pappe. Nach dem wir eine Stunde das Glas hochgehalten haben, hat mein rechter Arm gefühlt 10 Pamela-Reif-Workouts hinter sich. Geschafft, denken wir und wissen nicht, dass das Schwierigste noch auf uns zukommt: der Rückweg! Nach 10 Metern hält uns ein Journalist an und bittet uns, noch kurz ein Foto von uns machen zu dürfen, wir bleiben stehen. Großer Fehler! Sofort kommt ein Polizeiwagen angedüst (meiner Meinung nach, hätten sie die 10 Meter auch gehen können) und fordert uns auf, weiterzugehen. Die Versammlung sei bereits für beendet erklärt, jetzt dürfen wir keine Fotos mehr machen und uns auch nicht im „Pulk“ (Wir sind 10 Leute in Lederhosen) bewegen. Eilig machen wir uns davon und versuchen so wenig wie möglich nach einer Versammlung auszusehen. Trotzdem hält noch zwei Mal in diesen 15 Minuten Fußweg ein Streifenwagen neben uns und will genau wissen, wo wir hingehen. Nach Hause reicht nicht, wir müssen die Adresse unseres Airbnb nennen. Wollen die dann nachher nochmal klingeln und schauen, ob wir auch wirklich angekommen sind?
Nachmittags geht’s weiter mit der nächsten Verkleidung. Als Postbot:innen sind wir in der Fußgängerzone unterwegs und verteilen Flyer, Stifte und Schokolade. Letztere kommt erstaunlicherweise gar nicht so gut weg, viele Menschen sind laut eigenen Angaben gerade auf Diät. Vielleicht hatten sie aber auch einfach nur Angst, dass sie damit unwissentlich einen Spendenvertrag unterschreiben. Die Gespräche mit den Pasant:innen sind vielseitig und reichen von krassen rassistischen Aussagen bis zu überschwänglichen Dankeshymnen für unser Engagement. Und um euch Hoffnung zu machen: Letzteres überwiegt deutlich!
Die Überraschungen bleiben auch diesmal nicht aus. Die Polizei kommt vorbei und fordert uns auf, alle Plakate und Sticker vom Vormittag wieder abzuhängen. Zwei Jugend-Botschafter:innen (JuBos) machen sich also ehrenwerterweise auf den beschwerlichen Weg, jeden einzelnen Sticker in Garmisch wiederzufinden und abzupfriemeln. Und es kommt noch besser! Später wird unsere Versammlungsleiterin und Hauptamtliche von ONE angerufen. Es gäbe „Unstimmigkeiten ihrer Person“ – Ist sie vielleicht doch eine russische Geheimagentin?

Abends in der Pizzeria werden wir dann tatsächlich mal von der Polizei in Ruhe gelassen. Neben hitzigen Diskussionen über den Kampf gegen Sexismus und einem spannenden Austausch mit Sarah von ONE Africa bleibt auch genug Zeit zum Entspannen. Wir können Energie tanken für die folgende, nächtliche Plakate-Session. Mit viel Glitzer und rudimentär zusammengesuchten Pappkartons bereiten wir uns auf die Demo am Samstag vor. In München ruft ein breites Bündnis aus attac, BUND, Amnesty International und vielen mehr zum Handeln gegen die vielen akuten Krisen auf.
Am Samstagmorgen bleiben wir JuBos einfach mal wir selbst, während sich die Hauptamtlichen in die Regierungschefs verwandeln. Wieder vor dem Pressezentrum fordern wir sie auf, unsere Zukunft neu zu schreiben. Wir übergeben ihnen eine riesige Postkarte, die für die vielen kleinen Postkarten steht, die im Vorlauf des G7-Gipfels in ganz Europa gesammelt wurden. Alle Europäer:innen hatten hier die Möglichkeit, ihre Forderungen an die G7 auszuformulieren. Die 4000 Karten aus Deutschland wurden an das Büro von Olaf Scholz übergeben. Das Fotoshooting dauert länger als geplant und danach sind wir alle heiser vom Parolen-Schreien. Mit Riesen-Postkarten hetzen wir direkt zum Bahnhof, um pünktlich zur Demo in München zu sein (Die Karten wollten wir bei einer ONE-Wohnung direkt hinter dem Bahnhof abgeben). Doch auch diesmal macht uns die Polizei einen Strich durch die Rechnung. Wir wirken mal wieder sehr verdächtig und werden von einer großen Gruppe von Polizisten angehalten und umzingelt. Die Personalausweise werden kontrolliert und wir werden tausend Mal gefragt, wo genau wir hinwollen. Wir verpassen den Bus zum Bahnhof.

Letztendlich werden wir doch gehengelassen und kommen in München an, als die Demo schon fast vorbei ist. Für mich endet hier mein Garmisch-Abenteuer und einige andere JuBos werden unsere Gruppe ablösen, bis der Gipfel am Dienstag zu Ende ist.
Letztdendlich haben wir größtenteils Pressearbeit gemacht und unser Foto war auch echt häufig zu sehen. Am besten fand ich den Artikel in den golf news, mit der Einleitung „German activists protesting for more vegan and vegetarian options on the G7-menu“. Ich würde sagen knapp daneben ist auch vorbei. Irgendwas mit Essen halt...
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