Darum musss Entwicklungszusammenarbeit feministisch sein
- Felicia Graubner
- 26. Nov. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Überall Krisen und eine weltweit steigende Ungleichheit. Wen diese Entwicklungen am meisten treffen, sind marginalisierte Gruppen und Frauen. Im Jahr 2021 sind schätzungsweise 37 Millionen Frauen in die extreme Armut gerutscht. Frauen sind immer noch alles andere als gleichberechtigt, ob im Gesetzt geschrieben oder nicht. Sie sind häufiger von Hunger und Armut betroffen, leiden stärker unter den Folgen des Klimawandels und haben seltener Zugang zu Bildung. Deswegen ist nur offensichtlich, dass Feminismus auch in der Entwicklungszusammenarbeit immer mitgedacht werden muss. Das bedeutet, die Rechte der Frauen explizit zu fördern und nicht nur nebenbei auf Verbesserungen zu hoffen. Im Gegenteil lassen sich viele positive Nebeneffekte feststellen, wenn Projekte feministisch ausgerichtet sind.

Aktuelle Situation
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (bmz) unter Entwicklungsministerin Svenja Schulze veröffentlichte im März 2023 eine Strategie zur Feministischer Entwicklungspolitik und hob ihre Bedeutung somit hervor. Die Strategie beinhaltet z.B. die Stärkung sexueller und reproduktiver Rechte sowie die Gesundheitsversorgung von Frauen und die Unterstützung global agierender Frauenrechtsorganisationen. Aktuelle Zahlen zeigen allerdings, dass nicht einmal die Hälfte der bilateralen Entwicklungsgelder, also Gelder an deren Transfer nur zwei Seiten beteiligt sind, in Projekte mit Geschlechtergerechtigkeit als Anliegen fließt. Das Ziel, das sich das Ministerium gesteckt hat, ist auch zu gering. Acht Prozent der Projekte des bmz sollen zukünftig das Hauptziel der Geschlechtergerechtigkeit verfolgen. Die NGO ONE fordert allerdings mindestens 20 Prozent, denn indem feministische Entwicklungszusammenarbeit zu mehr Gleichberechtigung beiträgt, hat sie auch eine positive Wirkung auf zahlreiche weitere Sustainable Development Goals der UN, die die Bundesregierung so schätzt.

Vorteile
Der Beitrag von Frauen zu gesellschaftlichem Fortschritt wird weltweit durch Gesetze eingeschränkt. Immer noch existieren 104 Länder, in denen Frauen bestimmte Berufe aufgrund ihres Geschlechts nicht ausüben dürfen. In 18 Staaten ist es legal, dass Männer über das Arbeitsverhalten ihrer Ehefrau bestimmen. Dadurch ist allein schon das Wirtschaftswachstum eines Landes eingeschränkt. Weltweit würde es bis 2025 um 28 Billionen Dollar steigen, wenn Frauen plötzlich gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt hätten. Wirtschaftswachstum bedeutet nicht immer eine glücklichere Bevölkerung, doch eine gewisse Wirtschaftskraft ist für einen Staat doch wichtig, um mit mehr Steuereinnahmen eine bessere Infrastruktur zu ermöglichen.
Doch Studien und Erfahrungsberichte belegen, dass feministische Entwicklungspolitik noch weitere Vorteile bringt. So haben Projekte mit dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit zur Folge, dass am Einsatzort Armut und Hunger verringert werden. Zusätzlich halten die positiven Folgen der Projekte häufiger langfristig an und sorgen für mehr gesellschaftliche Stabilität.

Voraussetzungen
Feministische Entwicklungspolitik bedeutet, Geschlechtergerechtigkeit zu einem Leitprinzip der Entwicklungszusammenarbeit zu machen. Um dies zu gewährleisten, müssen erst einmal Standards gesetzt werden, die feministische Entwicklungspolitik definieren. Welche Projekte fallen unter diese Definition, welche fokussieren Feminismus als Hauptziel, welche nur als Nebenziel? Da können Indikatoren helfen, mit denen der Erfolg eines bestimmten Projektes messbar wird. Zum Beispiel die Anzahl an Mädchen und Frauen, die dadurch nicht mehr von Gewalt betroffen sind, oder die nun zur Schule gehen können. Ab einer gewissen Anzahl wäre es kein Projekt mit dem Nebenziel Geschlechtergerechtigkeit mehr, sondern eines mit diesem als Hauptziel.

Neben sinnvollen Indikatoren braucht es auch gute und transparente Monitoring-Strategien. Dass diese meist fehlen, ist leider ein generelles Problem in der Entwicklungszusammenarbeit. Wird nicht ehrlich ausgewertet, welche Projekte (feministisch) Wirkung zeigen und welche nicht, werden eventuell die falschen Ansätze weiterhin gefördert. Um dies zu vermeiden, benötigt es außerdem den ständigen Einbezug von lokalen Expert*innen bei der Projektplanung und -umsetzung. Die Projekte dürfen nicht starr von der Politik „diktiert“ werden, sondern müssen flexibel sein und falls nötig an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst werden. Wichtig bei Geldern, die Frauenrechte stärken sollen, ist ihre Langfristigkeit. Kurzfristige Förderungen können hier sogar negativ wirken, indem sie eine Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Menschenrechtsgruppen schaffen. Statt zusammenzuarbeiten, kämpfen die zivilgesellschaftlichen Organisationen regelmäßig um die Förderungen.
Es braucht also neben dem Willen zu feministischer Entwicklungspolitik auch messbare Indikatoren, transparente Monitoringsysteme sowie flexible und langfristige Projekte. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Bundesregierung ihre Versprechen einhält.
Wenn euch das Thema Feminismus auf globaler Ebene interessiert, dann findet ihr auf der one-website noch viele spannende Artikel dazu.
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